Produktbeispiel

Handmixer AKA Electric RG28
in der DDR
hersgestellt und in der Bundesrepublik vom Versandhaus Quelle unter dem Markennamen Privileg vertrieben
Foto: Alesch Mühlbauer

Die Geschichte – Teil 5

Der Westen und die DDR-Zwangsarbeit

Es gehörte zu den unausgesprochenen Regeln der internationalen Marktwirtschaft, dass der Einkäufer eines günstigen Produktes nicht danach fragte, unter welchen politischen Bedingungen es zustande gekommen war. Erst in diesem Jahrtausend sind viele große Firmen unter dem Druck der Konsumenten dazu übergegangen, sich in Ehrencodizes zum Ausschluss bestimmter Produzenten zu bekennen. Doch bereits in den 1970er Jahren begann der westdeutsche Einzelhandel, kritische Stimmungen unter den Käufern zu berücksichtigen. Um die Herkunft aus der DDR-Diktatur zu verschleiern, wurden für derartige Waren, mitunter neue Markennamen erfunden. In Einzelfällen stellten Firmen den Import ein oder verlangten, dass zumindest keine Strafgefangenen an der Herstellung beteiligt waren. Die DDR versuchte mögliche moralische Bedenken vor allem durch Dumpingpreise zu überwinden.

Der innerdeutsche Handel wurde in der Bundesrepublik von einer „Treuhandstelle“, einer halb privaten, halb staatlichen Einrichtung, reguliert. Es ist kein Fall bekannt, dass diese Treuhandstelle eingegriffen hätte, weil Produkte über die innerdeutsche Grenze wechselten, die mittels Zwangsarbeit hergestellt worden waren.

Die bundesdeutsche Presse griff nur wenige, spektakuläre Fälle von Zwangsarbeit in der DDR auf und trug damit ausgesprochen wenig zur Bildung eines kritischen Bewusstseins bei. 1982 plante die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte Protestaktionen vor IKEA-Filialen gegen die Möbelproduktion von DDR-Strafgefangenen. Anfang 1984 wurden dann Brandanschläge auf Einrichtungshäuser verübt. Aufgefundene Flugblätter deuteten auf politische Motive linker Gruppen. Eindeutig aufgeklärt wurden die Vorfälle nicht. IKEA verlangte daraufhin von den Produzenten ultimativ, die Beteiligung von Strafgefangenen abzustellen. Die DDR-Seite versprach es, hielt aber das Versprechen nicht ein. Aus diesem Grunde entschuldigte sich IKEA 2012 bei den DDR-Zwangsarbeitern. Ähnlich episodenhaft blieb der Bericht der Presse über den Tod mehrerer Zwangsarbeiter in Bitterfeld durch Quecksilbervergiftung. Aufklärungsbroschüren von Amnesty International blieben unbeachtet. Im Deutschen Bundestag wurde die Zwangsarbeit in der DDR höchst selten thematisiert.

Auf diese Weise lief der Handel zwischen DDR und Bundesrepublik auch mit Produkten, an denen Zwangsarbeiter beteiligt waren, im Wesentlichen ungestört. Im Bereich Textil, Kleinelektronik, Kameras, Möbel gelang es der DDR auf Grund der Häftlingsarbeit Produkte zu Dumpingpreisen anzubieten. Die Käufer verlängerten – meist ohne es zu wissen – damit in den achtziger Jahren das Überleben der Diktatur.