Mädchen des Jugendwerkhofs Eilenburg arbeiten zu Beginn der 1980er Jahre in der Getränkeproduktion.
Foto: Archiv der Gedenkstätte GJWH

Die Geschichte – Teil 3

Arbeitserziehung im sozialistischen Staat

Erziehung zur Arbeit

Im kommunistischen Weltbild war ein vollwertiger Mensch nur, wer arbeiten konnte und wollte. Die erste sozialistische Verfassung von 1918 schrieb daher die Pflicht zur Arbeit fest: „Die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik erachtet die Arbeit als Pflicht sämtlicher Bürger der Republik und verkündet die Losung: ‚Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!‘.“[1] In der Verfassung der DDR findet sich diese Formulierung in dieser Härte nicht. Es gab aber zu jeder Zeit Verordnungen und Gesetze, nach denen sogenannte „Arbeitsscheue“ betraft oder zur Arbeit gezwungen werden konnten.

Erziehung durch Arbeit

Die Arbeitserziehung war eine von mehreren Methoden kommunistischer Diktaturen, um Menschen zur Unterordnung zu zwingen. Angewandt wurden sie in Spezialkinderheimen, Jugendwerkhöfen, venerologischen Stationen, Arbeitserziehungslagern und Strafvollzugseinrichtungen wie Bewährungslagern, Jugendhäusern, Gefängnissen und Zuchthäusern. In allen Einrichtungen bestand das Ziel darin, die Insassen zu angepassten Bürgern zu erziehen („sozialistische Persönlichkeit“). Zu den Erziehungsmitteln gehörte neben sozialer Isolation, militärischem Drill, ideologischer Indoktrination auch die „Erziehung durch Arbeit“. Letztere bestand in der Pflicht, jede zugewiesene Aufgabe in der Produktion mit hohem persönlichem Einsatz zu erfüllen. Bei einer Weigerung drohten schwerste Strafen. Arbeitserziehung war in diesem Sinne Erziehung zur widerspruchslosen Unterordnung. In den meisten Einrichtungen paarte sich dieses Erziehungsziel mit dem Streben nach maximalen Arbeitsleistungen. Medizinische Betreuung, berufliche Ausbildung oder Qualifizierung hatten eine untergeordnete Bedeutung.

Arbeitserziehung als Art der Strafe

Arbeitserziehung konnte in der DDR durch die Gerichte neben der Freiheitsstrafe als eigene Strafart angeordnet werden. Dafür gab es ausschließlich zwischen 1968 und 1977 eine gesetzliche Grundlage. Zu allen anderen Zeiten wurde diese Strafart rechtsstaatswidrig auf der Basis von Verordnungen geregelt. Besonderes Kennzeichen der Arbeitserziehung war die fehlende Befristung. Arbeitserziehung wurde angeordnet „bis der Erziehungserfolg eingetreten ist.“ Vollzogen wurde diese Strafart vorzugsweise in Jugendhäusern und Arbeitserziehungslagern, die sich ansonsten nicht vom sonstigen Strafvollzug unterschieden.

[1] Bülck, Hartwig: Die Zwangsarbeit im Friedensvölkerrecht. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1953, S. 89 ff.

Im offenen Jugendwerkhof Crimmitschau
arbeiteten Jugendliche im Schichtsystem für
den VEB Volltuchwerke Crimmitschau.
Foto: Christiane Eisler 1982/1983