Im offenen Jugendwerkhof Crimmitschau arbeiteten Jugendliche im Schichtsystem für den VEB Volltuchwerke Crimmitschau.
Foto: Christiane Eisler 1982/1983
Die Geschichte – Teil 4
Arbeitszwang in Heimen der DDR-Jugendhilfe
Die Heime der zentral gesteuerten DDR-Jugendhilfe waren von 1945 bis Mitte der 1970er Jahre extrem unterfinanziert. Die Gebäude waren marode. Bekleidung, medizinische Versorgung und Raumausstattung waren unzureichend. Es gab nur wenig und ungenügend ausgebildetes Personal. In dieser Situation zogen Leiter von Normalheimen die Insassen der Heime zu regelmäßigen Hilfsarbeiten zur Aufrechterhaltung des Alltagsbetriebes heran. Um die Finanzlage der Heime zu verbessern, setzten sie die Heiminsassen auch für bezahlte Arbeitsaufträge der Kommunen oder umliegender Firmen ein. Die dadurch generierten Einkünfte kamen mitunter den Heimkindern zugute, indem beispielsweise ein Fernseher angeschafft wurde.
In den sogenannten Spezialkinderheimen, die zur Disziplinierung und Umerziehung unbotmäßiger Kinder vorgesehen waren, wurden die Insassen auf zentrale Weisung hin über mehrere Stunden täglich in der Produktion beschäftigt. Verrichtet werden mussten in der Regel stupide Heimarbeiten, z.B. Zusammenschrauben von Lampenfassungen, Sortieren von Kleinteilen. Diese Produktionsarbeiten gingen zulasten der schulischen Bildung und der Freizeit. Gemeinsam mit der Disziplinerziehung sollte die „produktionsechte Arbeitserziehung“ der Formung sozialistischer Persönlichkeiten dienen. Die Gewinne aus diesen Arbeiten kamen nicht den Insassen zugute, sondern wurden zentral verbucht.
In den Jugendwerkhöfen als Umerziehungsanstalten für 14 bis 18-jährige Jugendliche beiderlei Geschlechts stand die Produktionsarbeit im Zentrum. Die schulische Bildung wurde in der Regel mit dem Erreichen der 8. Klasse abgebrochen, obwohl in der DDR die zehnjährige Schulpflicht galt. Es folgte eine sogenannte „Ausbildung zum Teilfacharbeiter“, die in vielen Fällen darin bestand, die Bedienung einer Maschine zu erlernen. So arbeiteten männliche Jugendliche im IFA-Werk Ludwigsfelde in der Produktion von LKW, andere verrichteten Hilfsarbeiten in Brikettfabriken. Mädchen arbeiteten als Näherinnen, Wäscherinnen oder Putzfrauen. Da sich die Jugendlichen im Status von Auszubildenden befanden, erhielten sie keinen Lohn. Ihr Lehrlingsentgelt wurde mit dem zu zahlenden Heimbeitrag verrechnet. Bei Wohlverhalten erhielten sie ein minimales Taschengeld. Der Überschuss, der ihnen bei Entlassung ausgezahlt wurde, lag selten über 100 Mark der DDR (ein Produktionsarbeiter verdiente im Mittel monatlich 600 Mark).
Eine Verweigerung auch nur einer der oben genannten Formen der erzwungenen Arbeit wurde mit schweren Strafen geahndet (Essensentzug, Arrest, Verlegung in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau). Eine Reihe dieser erzwungenen Arbeiten hatten chronische Schäden zu Folge.
Eine ähnliche Praxis wie in den Jugendwerkhöfen wurde in den sogenannten Jugendhäusern geübt, in denen politisch oder kriminell verurteilte Jugendliche inhaftiert waren. Diese Einrichtungen sind noch weitgehend unerforscht.
Im offenen Jugendwerkhof Crimmitschau arbeiteten
Jugendliche im Schichtsystem für den
VEB Volltuchwerke Crimmitschau.
Foto: Christiane Eisler 1982/1983